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Todeswalzer

Ein Roman aus dem alten Wien

Von Gerhard Loibelsberger

Als Österreich-Ungarn am 28. Juli Serbien den Krieg erklärte, glaubte man im Habsburgerreich, dass die Niederschlagung Serbiens eine Angelegenheit von wenigen Monaten sei. Im kollektiven Fieber der Hass- und Rachegefühle gegen Serbien, kam vielen die Kriegserklärung wie der Beginn einer rauschenden Ballnacht der Rache vor.

Tatsächlich aber begann sich der Todeswalzer innerhalb weniger Monate immer schneller und schneller zu drehen. In dieser aufgeheizten Atmosphäre ermittelt JosephMaria Nechyba. Er sucht einen Serienmörder, der seine Opfer bestialisch abschlachtet. Während der Inspector dem Mörder auf die Spur kommt, stellen sich in der kriegsbesoffenen Bevölkerung erste Katergefühle ein. „Todeswalzer“ schildert in penibel recherchierten Szenen, die Wiener Zustände im Sommer 1914.

Aus Kapitel VII./2 – Seite 80

    Nechybas Lippen verzogen sich zu einem dünnen Lächeln: »Natürlich bin ich absolut loyal gegenüber Seiner Majestät, unserem Kaiser. Trotzdem finde ich die politische Entwicklung seit dem Attentat auf unseren Thronfolger in Sarajevo äußerst unerfreulich. Dieser Hass, diese nationalen Hetztiraden, die unglaubliche Aggression, die schon den ganzen Sommer über in der Luft liegt. Es hat doch keinen Sinn, dass man politische Probleme mit Waffengewalt löst! Die hysterische Kriegsbegeisterung macht mir Angst. Das alles kommt mir wie ein riesengroßes Pulverfass vor, an das jetzt die Lunte gelegt worden ist. Die Mobilmachung in den Ländern Europas wird zu nichts anderem führen, als dass sich 25 Millionen Soldaten gegenseitig totschießen.«
    »Ein Prosit auf den Krieg! Endlich ist Krieg! Darauf gebe ich eine Runde aus!«, grölte der Wirt, dessen Gesichtsfarbe sich mittlerweile von dunkelrot in dunkelviolett verändert hatte. Mit einem Tablett voller Schnapsgläser balancierte er durch sein Beisl und drückte jedem der Gäste eines in die Hand. Als er am Tisch Schwarzers ankam, verweigerte Nechyba den Schnaps. Darauf schrie der Wirt ihn an:
    »Was? Sie trinken net mit uns auf den Krieg? Was sind Sie denn für ein Mannsbild?«
    Wie von einer Tarantel gestochen sprang Johann Schwarzer auf und drängte den Wirt mit begütigenden Reden und Gesten ab. Danach setzte er sich wieder und sagte entschuldigend: »Der Wirt ist kein schlechter Kerl. Er ist halt ein Patriot und darüber hinaus leider völlig besoffen.«
    Nechyba nickte und murmelte: »Kriegsbesoffen.«
    Später, als Schwarzer und seine Frau das Eckbeisl, das sich in ihrem Wohnhaus befand, verlassen hatten und wieder oben in ihrer Wohnung waren, wurde der Fotograf sehr nachdenklich. Was Nechyba vorher gesagt hatte, hatte einiges für sich. Trotzdem fieberte er dem morgigen Tag entgegen, an dem er sich bei seinem Landwehrregiment melden musste. Es war nicht so sehr die Freude, in den Krieg zu ziehen, sondern das Gefühl, Teil eines gewaltigen Abenteuers zu werden.

Todeswalzer - Ein Roman aus dem alten Wien von Gerhard Loibelsberger

Autoren-Profil

Gerhard Loibelsberger wurde 1957 in Wien geboren. Er ist Autor von Sach- und Gourmetbüchern, Songtexten und Kriminalromanen. Zahlreiche Lesungen sowie Auftritte mit dem Jazz- & Improvisationsprojekt »Club Dada« und der Undergroundband »Der dritte Mann« machten ihn bekannt. 2009 startete Gerhard Loibelsberger mit den »Naschmarkt-Morden« eine Serie von historischen Kriminalromanen rund um den schwergewichtigen Inspector Joseph Maria Nechyba und den Journalisten Leo Goldblatt. 2010 wurden »Die Naschmarkt-Morde« für den Leo-Perutz-Preis der Stadt Wien nominiert.

loibelsberger.at

Todeswalzer: Ein Roman aus dem alten Wien, Ausgabe 7

Gerhard Loibelsberger

August 2013 – Inspector Nechyba – Buch 4 – Gmeiner-Verlag.
Kindle oder Taschenbuch:

Bei Amazon kaufen

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